Eine Klassenreise nach Dresden lohnt sich für Schüler*innen und Lehrer*innen. Als Vorbereitung können Lehrer:innen den folgenden Text nutzen. So erfahren die Schüler:innen bereits im Vorfeld spannende Fakten zur Stadt. Die Vorfreude auf die Klassenfahrt wächst.
Ein Knabe dreht am großen Rad
Einst sang Jonas Rothe im Dresdner Kreuzchor. Heute schickt er seine „Time-Ride“-Besucher, darunter auch viele Schüler*innen, ins Jahr 1719.
Er hätte seine Stimme vergolden lassen können, große Sängerkarriere machen. Ein zweiter Rene Pape hätte er werden können. Also vielleicht. Vielleicht hätte Jonas Rothe sich aber auch auf dem hart umkämpften Musikmarkt die Zähne ausgebissen. Oder er hätte gar eines Tages sein Kapital – die Stimme – verloren. „Das war mir zu unsicher“, sagt der frühere Kreuzchor-Knabe. Und außerdem hat der 32-Jährige neben dem Singen auch schon immer gerne Dinge auf die Beine gestellt. Er wollte ein Macher sein, ein Unternehmer. Und hier ist er: Vor wenigen Wochen eröffnete Jonas Rothe im Taschenbergpalais ein Museum der besonderen Art. Im Time Ride können Schüler:innen, Lehrer:innen und andere Besucher:innen mithilfe einer speziellen Brille eine animierte Stadtrundfahrt durch das Dresden 1719 erleben. Und unter ihrem Po wackelt dabei sogar eine echte Kutsche. Für diese Idee wurde ihm erst kürzlich der Deutsche Tourismuspreis verliehen.
Nachdem er zunächst in Koeln seinen ersten „Time Ride“ zum Laufen brachte, sah sich Jonas Rothe nun bereit für seine Rückkehr nach Hause. In Dresden ist er geboren und aufgewachsen. Sein Vater hat eine Zahnarztpraxis in Trachau. Zwischen Weihnachten und Neujahr hat sein Jonas gerade wieder mal ausgiebig Familienzeit genossen. Und war nebenbei auch ganz nah dran an seinem neusten beruflichen „Baby“ in der Altstadt. In den ersten Tage nach der Eröffnung im Dezember kamen viele Freunde zum Gratulieren. Darunter befanden sich auch frühere Sängerfreunde. Über viele Jahre hinweg prägte der Kreuzchor das Leben von Jonas Rothe. Er war Stimmführer und sang in der Semperoper. Anschließend wurde er Teil der „Zauberflöte“ an der Komischen Oper in Berlin. „Das waren tolle Zeiten“, schwärmt er.
Masterarbeit in der Schublade
Nach seinem Schulabschluss machte er zunächst einen Bachelor Kulturmanagement in Freiburg. Dann sattelte er in München an der Hochschule für Musik seinen Master obendrauf. Und wann kommt endlich der Time Ride ins Spiel? Bei der Masterarbeit. Zumindest im Ansatz. Darin beschäftigte sich Rothe mit dem Museum der Zukunft. Konkret konzipierte er in der Theorie ein Hightech-Museum in Dresden. Dafür hat er über eine 360-Grad Projektion historische Situationen nachgestellt. Für die Arbeit gab es die Note 1,0. Trotzdem landete das Konzept in der Schublade.
Stattdessen stieg Rothe bei einer Kultur-Beratungsfirma ein, die sein Professor in München gegründet hatte. Vielleicht würde er dort auch heute noch arbeiten. Wenn er nicht im Jahr 2014 auf einer Messe zufällig eine der ersten VR-Brillen in die Hand bekommen hätte. Das sind Brillen, die den Bildschirm vor den eigenen Augen auflösen. Sie täuschen dem Gehirn vor, dass es sich gerade mit einer ganz anderen Welt beschäftigen muss. „Das fand ich total faszinierend“, sagt er. Plötzlich fiel ihm wieder das Konzept in der Schublade ein.
Daraufhin begann er zu spinnen. Immer wieder diskutierte er seine Idee mit seinem Professor. Der gab ihm erst als Mentor den nötigen Rückenwind. Später unterstützte er ihn auch als Investor. „Ich weiß nicht, ob ich das sonst überhaupt umgesetzt hätte.“ Im Dezember 2016 gründete Jonas Rothe das Unternehmen, im Rheinland. Nur Tage später unterschrieb er den Mietvertrag in Koeln. Und warum gerade Koeln? Eine strategische Entscheidung. Viele Einwohner, die sich auch noch außerordentlich stark mit ihrer Stadt identifizieren. Das war es, was er brauchte. Außerdem sollte die Stadt eine prägende Veränderung durchgemacht haben. Niemand wollte eine Welt sehen, die der echten von heute ähnelt. Anstelle der Kutschen wie in Dresden platzierte er im Koelner Time Ride eine historische Straßenbahn von 1901. „Ich habe nächtelang selbst unter der Bahn gelegen und Kabel verlegt“, erinnert er sich. Rund 1,5 Kilometer Verlängerungskabel sollen es am Ende gewesen sein.
Nächste Station: Zwinger
Der Start lief gut. Diese ganz neue Art von Stadtrundfahrt sprach sich herum. Und so wurden aus zwei Mitarbeitern bald 50. „Das vierte Quartal 2018 übertraf jetzt alles. An vielen Tagen waren wir komplett ausgebucht.“ Und während am einen Ende Deutschlands das Geschäft brummte, arbeitete er am anderen Ende schon am nächsten. Neun Monate gab er sich für das Konzept. Er verbrachte damit mehr Zeit in der Bahn, als irgendwo sonst. Zunächst recherchierte ein Team von Historikern jedes auch noch so kleine Detail zum Zwinger anno 1719. Dann kamen die 3D-Künstler und Animatoren an die Reihe. Sie ließen die Szenerie digital erlebbar werden.
Jetzt müssen nur noch die restlichen Besucher, zum Beispiel Schulklassen, kommen. Januar ist Saure-Gurken-Zeit. Aber Jonas Rothe hat gelernt, einen langen Atem zu haben. Er ist bereit, vieles dem Erfolg unterzuordnen. Das heißt, eher 80- als 40-Stunden-Woche. „Wer Unternehmer sein will, der muss da durch“, sagt er ernst. Die Familienplanung wurde auf unbestimmte Zeit zurückgestellt.

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren